Am 22.1.2015 hatten drei gemeinnützige Partner – Common Purpose Deutschland, Teach First Deutschland und das Gebrüder Schmid Zentrum – zu einer bedeutsamen und gleichzeitig ausgesprochen spannenden Diskussionsveranstaltung ins Generationenhaus Heslach eingeladen. Allein schon der durchaus provokante Titel ließ erwarten, dass es an diesem Abend zwangsläufig zu kontroversen und polarisierenden Diskussionen kommt. In Zeiten globaler und interkultureller Vernetzung auf allen Ebenen ist unsere Gesellschaft mehr denn je gefordert, miteinander zu kommunizieren. Dabei übernimmt die Sprache die Schlüsselfunktion, dass wir uns überhaupt ’verstehen’ können – generationenübergreifend, über alle Grenzen hinweg.
Aufgrund der Dialoge, Diskussionen und Debatten zwischen den Referentinnen und Referenten sowie den zahlreichen Gästen müsste über weitere Veranstaltungen zu diesem Thema der Titel stehen:
„Sprache – der Zungenschlag, damit sich Generationen verstehen!“
Tina Syring vom Gebrüder Schmid Zentrum, das der Veranstaltung den ihr gebührenden Raum gab, begrüßte die Gäste im voll besetzten Rudolf Schmid Saal, Birgit Klein von Common Purpose betonte in kurzen, jedoch aussagekräftigen Worten die Wichtigkeit von Diskussionsveranstaltungen zum Thema „Dialog zwischen den Generationen“ und Lars Becker von Teach First moderierte kurzweilig durch den Abend. Dabei unterstrich er in seiner Gastgeberrolle die Bedeutung der Veranstaltung für alle Anwesenden, die ganz im Zeichen der ‚Vernetzung, des Vertrauensaufbaus zwischen den Generationen und der Kommunikation im Miteinander’ stand – und die uns alle betrifft.
In ihrer Eröffnungsrede skizzierte Brigitte Lösch, Vizepräsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, ein gesellschaftspolitisch verantwortungsvolles Bild über ‚Toleranz, Empathiefähigkeit, Verständnis und Verantwortung im gelebten Miteinander’ über alle Generationen, Kulturen, Religionen und soziale Schichten hinweg. Als Politikerin verwies sie dabei auch auf die ‚Politik des Gehört-Werdens’ – demokratische Prozesse, bspw. durch Bürgerbeteiligungen und Partizipationen aller Bevölkerungsgruppen, können nur entstehen, wenn die Menschen informiert, abgeholt, eingebunden werden, wenn sie verstehen und verstanden werden. Für sie ist Sprache nicht nur Reden, sondern auch Zuhören – der Dialog zwischen Senden und Empfangen. Und doch sieht sie in der Sprachlosigkeit auch eine große Chance für sich selbst. Zeitweilig angewandt, ist sie ‚eine persönlichkeitsfördernde Übung und Reise ins Ich, um sich nicht nur auf die Sprache zu verlassen, sondern seinen gesunden Menschenverstand im Gesamten wieder wahrzunehmen’ – als Besinnung, um zur Sprache und zum Verstehen im Miteinander zu kommen.
Im weiteren Verlauf kamen fünf ‚Impuls-RednerInnen’ unterschiedlicher Generationen zu Wort. In jeweils Drei-Minuten-Vorträgen legten sie ihre Sichtweisen und Thesen dar, die in den anschließenden Diskussions- und Gesprächsrunden zwischen allen Beteiligten zu einem kontroversen und gleichzeitig konstruktiven Meinungsaustausch führten.
Angelika Reinhardt, Referentin Jugendbeteiligung Stadtjugendring Herrenberg und Alumna von First Teach, machte deutlich, dass generationenübergreifende Sprachbarrieren eine lange Tradition haben – Platon hatte sich bereits vor rund 2.000 Jahren darüber aufgeregt. ‚Sprachlosigkeit und Unverständnis zwischen den Generationen sind für unsere Gesellschaft wichtig, wenn auch problematisch‘ – Jugend-Sprache und Erwachsenen-Sprache können nicht miteinander korrespondieren. Entscheidend ist der Austausch, bei dem die unterschiedlichen Sprachen verständlich werden – vielleicht sogar gedolmetscht – und zu einem gegenseitigen Verständnis führen. Nur im Aufeinander-Zugehen entsteht der Dialog, um in den Austausch zu treten.
Dr. Horst Mehrländer, Staatssekretär a. D. im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, vertrat die Grundthese, dass ‚der Mensch grundsätzlich kommunikationsfähig ist und die Sprachlosigkeit ihn in die Isolation treibt‘. Er sieht unsere heutige Gesellschaft zwischen Jung und Alt auf dem Weg in eine selektive Sprachlosigkeit. Seine Schlussfolgerung war eindeutig: Die Sprache ist das elementare Bindeglied zwischen den Generationen – und wir alle müssen dazu beitragen, dass wir uns gegenseitig über eine gemeinsame Sprache verständigen, um uns zu verstehen.
Ismail Özkan, Landesvorsitzender DITIB-Landesjugendverband Württemberg, zeigte auf, wie wichtig und auch entscheidend für ein gesellschaftliches Miteinander die Sprache ist – eine Sprache, die über alle Grenzen hinweg auch von allen verstanden wird, auch dann, wenn jeder seine eigene landsmännische Sprache spricht. Er machte deutlich, dass nur dann ‚ein gemeinsamer Konsens entsteht, wenn unterschiedliche Kulturen, Religionen und Gesellschaften toleriert, respektiert und akzeptiert werden‘.
Stefan Schabernak, Gründer der Rock Your Life! gGmbH, unterstrich in seinem Beitrag, dass bei unseren globalen Herausforderungen dringend ein Umdenken erforderlich werden muss, um ’nachhaltige Lösungen für ein Zusammenhalten der Generationen‘ zu finden. Als Vertreter der jungen Generation empfand er den Veranstaltungstitel mit der Fragestellung des ‚Verstehen-Müssen’ den falschen Ansatz. Für ihn ist sehr viel entscheidender, dass zwischen den Generationen miteinander gesprochen wird und dass wir lernen, uns zu verstehen.
Helmut von Stackelberg, bis Ende letzten Jahres Geschäftsführer der Sympra GmbH und ab 2015 Kommunikationsberater, sieht als wesentliche Basis für ein Miteinander der Generationen zunächst einmal Neugier und Lernbereitschaft jedes Einzelnen. Wenn Sprachlosigkeit durch ein kommunikatives Miteinander-Umgehen ersetzt werden soll – und das muss es seiner Ansicht nach –, dann gelingt dies nur ‚durch Wahrnehmen des Anderen, durch Akzeptanz des Anders-Sein seiner Mitmenschen, durch das Miteinander-Reden und durch ein Miteinander-Verstehen‘. Klingt einfach, doch genau darin liegt die Schwierigkeit, dass zwischen den Generationen Sprachlosigkeit und Unverständnis aufgebaut wird.
Zusammengefasst enthielten die Impuls-Referate aller RednerInnen eine Fülle unterschiedlicher Standpunkte und dennoch im Ergebnis konformer Bewertungen, die im Anschluss daran in den einzelnen Gesprächsrunden in intensiven und engagierten Diskussionen an den runden Tischen vertieft werden konnten.
Mein ganz persönlicher Eindruck, den ich auch aus Gesprächen mit Teilnehmern bestätigt bekam: Die Veranstaltung hat etwas bewegt, hat nachdenklich gemacht, hat ein Bewusstsein geschaffen, wie wertvoll und wichtig unser gesellschaftlich geprägtes Miteinander innerhalb der Generationen und zwischen ihnen ist … und was es heißt, wenn wir niemanden mehr verstehen – im wörtlichen Sinne des Sprechens und Hörens. Und in der sehr viel dramatischeren Auswirkung: im Empfinden, uns in eine andere Generation nicht mehr hineinversetzen zu können, sie aus dem eigenen Unverständnis heraus nicht mehr zu verstehen.
Mich haben die wahrgenommenen und verinnerlichten Inhalte der Veranstaltung dahingegend motiviert, einen kleinen Essay über die Sprache zu schreiben: Über das Verstehen der Sprache.
Es ist den Veranstaltern zu wünschen, dass sie diese Veranstaltung weiterhin den BürgerInnen zu Ohr bringen können – dass das Thema ‚Sprachlosigkeit’ zur Sprache gebracht wird. Und vor allem, dass am Ende nicht die profane Floskel ‚Gut, dass wir mal darüber geredet haben!’ im Raum stehen bleibt.