Protokoll des Workshop 7

„Achtsamkeit als persönliche Voraussetzung für gelungene Quartiersarbeit“ mit Susanne Breuninger-Ballreich

Der Moment zählt

Der Workshop findet im schönsten Raum des Rathauses statt, im Festsaal im 1. OG mit goldener Eingangstüre und einer farbigen Mosaikwand gegenüber. In diesem Raum finden außerhalb des Fachtags auch Trauungen statt, somit ist er repräsentativ für diesen Workshop: Die Grundlage für die Achtsamkeit liegt bei jedem Einzelnen. Es geht darum, wie es gelingt präsent im Hier und Jetzt zu sein und im Kontakt mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Durch regelmäßige Übung von Achtsamkeitsmeditationen entwickelt sich mit der Zeit mehr Gelassenheit und ein besseres „bei sich sein.“ Das ist die Basis für eine gute Kommunikation mit anderen Menschen.

Für diese „innere Arbeit“ helfen achtsamkeitsbasierte  Körperübungen und  Achtsamkeitsmeditationen, Konzentrationsfähigkeit und Selbstmitgefühl zu entwickeln. Susanne Breuninger-Ballreich, langjährige Psychotherapeutin, Coach und zertifizierte MBSR/MBCT-Lehrerin – sogenannte Achtsamkeitstrainerin – weiß, wie sie die Menschen heraus aus Grübeln und Stress zu sich selbst bringen kann: Mit höherer Aufmerksamkeit, höherer Konzentrationsfähigkeit, vom Getrieben sein zur Gelassenheit. Susanne Breuninger-Ballreich ist Autorin eines Buches mit dem Titel „Was Sie stark macht-Verborgene Kräfte aktivieren“ vom Herder-Verlag und bietet in eigener Praxis Kurse an über Achtsamkeit in Alltag und Beruf, „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR) von Jon Kabat-Zinn und „Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie“ (MBCT) als Depressionsprophylaxe. Ebenso bildet sie Menschen aus zu „MBSR- und Achtsamtkeitslehrern/innen“.

Schon in der ersten Runde im Stuhlkreis, wo sich jeder mit Namen vorstellt und sagt, warum er hier ist und was ihn umtreibt, schälen sich drängende Fragen heraus: Was hat Achtsamkeit mit Bürgerbeteiligung zu tun? Wie kann es gelingen, mehr Zulauf zu bekommen? Was braucht der Einzelne, um sich eingeladen zu fühlen? Wie kann es gelingen, dass sich die Generationen gegenseitig unterstützen, z. B. Kinder, Mütter, Senioren? Susanne Breuninger-Ballreich sieht Achtsamkeit als eine neue Herangehensweise an Bürgerbeteiligung. „Die Menschen sollten mehr „bei sich sein“, ist ihre Lösung. „Achtsamkeitstraining bringt dem Menschen mehr Präsenz, Gelassenheit und Freundlichkeit und das ist auch die Basis für den Kontakt mit den anderen Menschen.“

Nach der Vorstellung leitet Susanne Breuninger-Ballreich mit ruhiger Stimme die erste Körperübung an: Jeder setzt sich aufrecht auf seinen Stuhl, die Beine fest auf den Boden. Im Geiste gehen wir alle Körperregionen durch und verweilen zuletzt bei der Konzentration auf den Atem. Kommen Gedanken oder Geräusche, die uns ablenken, kommen wir mit unserer Aufmerksamkeit immer wieder zum Atem zurück. Den meisten von uns, ob erfahren oder unerfahren in Körperübungen und Meditation, gelang es gut, abzuschalten und im Körper anzukommen.

Die nächste Übung ist eine Atemmeditation, bei der die Konzentration durch Zählen der Atemzüge unterstützt wird.

Nach diesen Übungen ist die Begeisterung groß und die Idee der Teilnehmer ist, solche Übungen auch bei Versammlungen und Sitzungen zu machen. Dafür braucht es Mutige, die diese initiieren und anleiten. Oder Professionelle, die eigens dafür engagiert werden, um die Menschen darin anzuleiten und auszubilden. Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie vor Besprechungen in ihren Gruppen bereits Übungen mit Tönen praktiziert. „Es ist grundsätzlich gut, sich erst auf sich zu besinnen, und dann erst in Kommunikation zu gehen“, ergänzt Susanne Breuninger-Ballreich.

Nach einer 10-Minuten-Pause machen wir die nächste achtsamkeitsbasierte Körperübung im Stehen. Wir lockern behutsam die Schultern, kreisen den Hals, beugen den Oberkörper nach vorne, dann strecken wir ihn nach oben, gefolgt von einer Schüttelübung des ganzen Körpers. Susanne Breuninger-Ballreich fragt uns danach, wie es uns geht. „Ich fühle mich belebt, gelockert und es prickelt“, sagt eine Teilnehmerin und die anderen stimmen ihr zu.

Die letzte Übung nach dem Mittagessen ist eine Zweierübung. Einer erzählt eine kurze Begebenheit etwas, was ihn bewegt hat. Der andere hört aktiv zu und hält eigene Kommentare zurück. Dazu gehört, dass man dem anderen zurückmeldet, was man verstanden hat. Es ist beeindruckend, wie gut sich fast jeder der Erzählenden verstanden gefühlt hat.

Zwischen den Übungen wurde immer wieder zu den folgenden Fragen diskutiert. Die Protokollantin trug die Ideen der Teilnehmer zu den vorgegebenen Fragen wie folgt zusammen:

Was sind wichtige Themen und Anliegen für quartiersbezogene Lern- und Verständigungsprozesse?

Wie beziehen wir Achtsamkeitsübungen mit ein?
Wie gestalten wir eine Sitzung, um uns „näher“ zu sein (Stuhlkreis)?
Wie kommt der Einzelne zur Ruhe, um sich dann in die Gruppe einzubringen?
Wie beziehen wir unser Glück bzw. unsere Bedürfnisse mit ein?
Wie finden wir „Mitstreiter“ für neue, achtsame Methoden?
Was will ich mit meiner Sitzung erreichen (Zielbewusstsein)?

Wie gelingt eine gemeinsame Verständigung im Quartier?

Der Ansatz liegt beim Einzelnen (Selbstregulation)
Bei Konflikten Emotionen herunterfahren – sich wieder erden, zur Besinnung kommen
Besser zuhören, besser konzentrieren, aufmerksam sein, wahrnehmen
Durch Meditation/Körperübungen mehr bei sich sein, dann erst in Kontakt gehen
Sich einbringen, für sich einstehen
Vorbildfunktion, sich gegenseitig spiegeln
Hilfe/Zuwendung für den Anderen durch mehr bei sich sein, ein Lächeln schenken
Gute Kommunikation, von sich reden (wie in der Gewaltfreien Kommunikation)

Welche Orte und Akteure können gemeinsame Lernprozesse im Quartier unterstützen?

Orte:
Generationenhäuser, Stadtteil- und Familienzentren: Kurse anbieten, z. B. in Yoga oder Körperübungen
Anregungen für Bürger in den lokalen Medien
Zusammenkünfte in Begegnungsstätten, Stadtteilfeste (mit Oase der Stille)
Kirchen sollten sich öffnen, auch für andere Religionen
Schulen, Kindergärten, Jugendhäuser
Offene Treffs (Beispiel Café Nachbarschafft im Generationenhaus Heslach oder auch MüZe Süd) mit interkulturellen und intergenerativen Angeboten

Akteure:
Bürger, Lehrer, Professionelle usw.

Welche Voraussetzungen muss die Kommune schaffen, damit das Quartier dauerhaft ein gutes Lernfeld ist?

Räume und Gelegenheiten bieten
Politischer Wille und politische Unterstützung (Gemeinderat)
Informationsportale
Finanzielle Unterstützung für Projekte – Stellen schaffen
weniger Bürokratie
Ehrenamt unterstützen
Sponsoring
Vorbild: Quartiersarbeit Freiburg

Welchen Gewinn habe ich als Bürger/in, wenn ich mich für „mein Quartier“ einsetze?
Soziale Kontakte knüpfen
Bereicherung durch gegenseitiges Lernen
Der Gleichgültigkeit/Anonymität etwas entgegensetzen
Begegnung der Generationen und entsprechende Bereicherung
Dankbarkeit/Anerkennung
Sicherheit
Bedürfnis, in Verbindung zu sein
Netzwerke bilden – Bürgerinitiativen
Gewinn durch Engagement
Kompetenzen einbringen und nutzen

 

Für das Protokoll:   Sabine Böhringer

Stuttgart, 24. Januar 2017